go home, you're sober.


Vorab möchte ich klarstellen, dass es in diesem Text um Drogenmissbrauch als auch Selbstverletzung geht. Falls du, der das hier liest, damit gerade zu kämpfen hat, rate ich dir von dieser Geschichte ab und bitte dich dir Hilfe zu suchen. Spreche mit Freunden oder Familie darüber, vielleicht mit dem Arbeitskollegen oder einen Lehrer des Vertrauens. Oder in einem Forum. Egal wie. Du schaffst das und ich glaube an dich. Denn das Verlernen von Freude führt dazu, dass du das Leben so hinnimmst. Und den Tod erst recht.


Es war circa vor zwei Jahren, als ich allein in meiner Wohnung saß, Panik schob und ich mir mein Ende ausgemalt habe. Ich hatte genug Geld. Ich war sicher, hatte Freunde. Aber einen Lebenssinn hatte ich nicht. Zur Uni ging ich sowieso nicht mehr, in die Stadt erst recht nicht. Außer wenn es sein musste.
Wenn ich dann mal draußen war, sah ich die Alkoholleichen um Geld betteln, weil es im nüchternen Zustand gar nicht möglich wäre. Ich sah die Frau, in der Einkaufsschlange vor mir, im Alter meines Vaters, nichts anderes kaufen als Spiritus und die Kiste Bier, die sie mit dem Fuß vor sich her schob. Ich hörte meine Kommilitonen, wie sie sich besauft haben und jeden Tag irgendeine weitere Party schmeißen, nur um immer wieder und wieder zu erzählen, wie der Kater sie gerade fertig macht.
Daheim schaute ich auf dem Balkon. Zweiter Stock. Vielleicht ein Schal. Vielleicht die Lichterkette. Dieser Balkon war immer dort, nicht nur in dem Haus, sondern auch im Kopf.
Ich ging zu Netto. Statt Gemüse kaufte ich Schnaps. Statt der Tiefkühlpizza wurde es der Wein im Tetrapack. Es blieb nicht beim einen Mal.
Angefangen hat es mit dem Sixpack Alster, dass an einen Abend weg ging. Nun der Apfelschnaps, man muss sich ja mal was gönnen. Am gleichen Abend war er dann auch wieder leer. Der Pfeffi war als nächstes, am gleichen Tag innerhalb 4 Stunden weggetrunken. Darauf folgte der Wein, den ich zuerst aus dem Weinglas trank und schließlich aus der 1 Liter Packung exte. Der Kirschlikör war am darauf folgenden Tag auch schnell weg, die Hälfte trank ich schon, bevor ich zum Wocheneinkauf ging. Der aus einer Flasche Berliner Luft bestand.
Übergeben habe ich mich die letzten Tage ständig, es wurde schon normal. Der Finger tat den Rest, falls der Brechreiz nicht nachgeben sollte. Die Gedanken verschwimmen. Die Zeit war nichts weiter als die verschwommenen vier Zahlen auf dem viel zu hellen Laptopbildschirm. Die Menschen schreiben sich von ihrer Party. Ich sah zum Balkon.
Zwischen dem Bewusstsein und Unbewusstsein schaute ich ein Video, zur Ablenkung. Der Alkohol machte das Video 10x besser, denn ich vergaß bereits einen Teil des Inhalts und schaute ihn immer und immer wieder an, nur um letztendlich wieder wegzudriften und wieder nen Schluck zu nehmen. Mir die Nase dabei zuzuhalten, weil mein Körper den Geschmack nicht wollte, aber mein Kopf die Wirkung brauchte.
Ich lachte hysterisch. So sehr,dass ich gar nicht aufhören konnte. Das Lachen wurde zum Husten. Das Husten schließlich zur Atemnot. Ich hyperventilierte und rannte zur Toilette, vielleicht muss ich mich übergeben. Aber nein, ich bekam immer noch keine Luft. Mir wurde schwarz vor Augen. Mein Gedanke war „Sterbe ich jetzt?“ und ich lächelte. Endlich hätte dieses erbärmliche Leben ein Ende. Aber dieser Gedanke hat mich beruhigt.
Ich konnte wieder atmen. Leider.
Am nächsten Tag zeigte mir der Spiegel die Frau in der Einkaufsschlange vor mir. An diesem Tag blieb ich daheim. Und packte die leeren Flaschen in den Schrank.

Heute, nach circa 2 Jahren, schreibe ich diesen Text. Nachdem ich mir ein Sektchen gegönnt habe. Aber ich mag ihn nicht. Weil mein Körper es nicht mag. Und weil mein Kopf schon beim Geruch von Alkohol an diesen Tag vor circa 2 Jahren dachte, als ich allein in meiner Wohnung saß, Panik schob und ich mir mein Ende ausgemalt habe.
Aber statt dem Balkon sehe ich die Regentropfen vom Dachfenster abprallen.

Schön ist es doch.

Schön wird es sein.


Kommentare

Beliebte Posts