2022
2022 - Heilung
Ende August. 17 Grad. Wir rannten durch den Regen Richtung See, stolperten dabei barfuß über den Rollsplitt. Schon den ganzen Tag regnete es, aber das war uns egal. Wir wollten schwimmen. Das Wasser und der Seeboden waren noch warm von der gestrigen Sonne. Niemand war dort außer wir. Mitten im See zogen die Schwalben über uns hinweg und schnappten sich ihre Mücken. Dann tauchte sogar ein Fischadler auf, der über uns segelte.
Er hatte gerade mit der Therapie angefangen und erzählte, dass es ihm gut tat. So vieles ergab für ihn plötzlich Sinn: Ängste, Verhaltensweisen, Stress. "Nächstes Mal soll ich über meine Probleme in der Kindheit erzählen, dabei hatte ich gar keine", sagte er. "Ich wüsste auch nicht, was bei mir sein könnte", antwortete sie darauf. "Ich hätte da so einiges", meinte ich.
Wir schwiegen & vor uns stürzte der Fischadler ins Wasser.
Das Jahr begann mit Schmerz, Verlust, Trauer. Wer war ich? Wieso habe ich das getan? In diesem Moment hatte ich alles verloren, was mir doch so heilig war. Mein Dämon war satt, es hatte alles bekommen was es wollte. Ich weinte so viel, dass ich meine Augen morgens nicht öffnen konnte. Essen konnte ich nichts. Tun konnte ich nichts. Nicht mehr.
Umso glücklicher war ich, dass ich von Freunden aufgefangen wurde. Ich konnte meine Krisen teilen und mich ausheulen, aber vor allem war ich nicht mehr allein.
Es fühlte sich an, als müsste ich meinen ganzen Alltag umbauen, vieles hinter mir lassen und etwas Neues für mich finden.
Dieses Jahr war mir mein Erfolg egal, meine Zukunft, meine Ziele. Ich wollte nichts. Ich habe nur das getan, was sich für mich richtig angefühlt hat. Dabei habe ich aber auch gemerkt, dass sich vieles abwand von mir. Ich weiß nicht warum, aber an vielen Orten, die mal meine Heimat waren, fühle ich mich nicht mehr willkommen. Da sind mehr Fragen, als Antworten. Früher wollte ich immer wissen, was hinter meinem Rücken abgeht. Aber jetzt bin ich einfach zu müde.
Ich habe mich nur geheilt. Auf meinem Wege. Und ich habe viele Menschen verletzt. Ich bin noch lange nicht gesund, im Gegenteil. Mit jedem Tag entdecke ich mehr Dinge, die kaputt sind. Aber vielleicht ist das auch ein wichtiger Schritt in Richtung Heilung: Zu erkennen, was gebrochen ist. Sehen, was zu Ende ist. Zu wissen, dass man eigentlich nichts daran ändern, sondern es nur akzeptieren kann.
Nun habe ich erkannt, dass ich gut darin bin mich zu brechen, aber schlecht darin es sein zu lassen.
Heilung tut weh.
"Doch es ist alles vorbei
Ich bin die pure Langeweile
Das Einzige, was ich weiß
Ich ertrag' mich nicht alleine"
2023 - Etappen
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